Awareness-Team für Veranstaltungen gründen:
Strukturen und Formen von Awareness-Teams auf Veranstaltungen: In diesem Text schlagen wir Mindeststandards vor, die eine Rolle spielen, wenn ihr ein Awareness-Team für Veranstaltungen neu gründen wollt. Es geht hier nicht um umfangreiche Checklisten, was alles zu besorgen oder zu beachten ist. Viele der Punkte die wir ansprechen sind bereits umgesetzte Standards, andere Punkte sind Ansprüche oder Bestrebungen, um deren Umsetzung sich Veranstaltende und Awareness-Aktive im eigenen Team und in der Zusammenarbeit miteinander bemühen.
Awareness-Teams gibt es in ganz unterschiedlichen Formen. Politische Organisationen oder Verbände haben eigene Awareness-Teams, politische Bewegungen, wie die No Border oder Klima-Bewegung haben Awareness-Teams oder es gibt Awareness-Teams an Universitäten. In diesem Text beziehen wir uns auf Veranstaltungen (Musik- und Kulturveranstaltungen) und auf Awareness-Teams, die für bestimmte Veranstaltungen oder für Veranstaltungsorte Awareness anbieten.
Die Initiative:
Die Initiative ein Awareness-Team zu gründen, kann von unterschiedlichen Personen/Personengruppen ausgehen. Nicht selten sind es die Besucher*innen, die sagen: „Hier fehlt Awareness. Und wir fänden es gut, wenn es hier ein Awareness-Team gäbe.“ Dann kann es sein, dass die Besucher*innen aktiv werden, sich mit anderen Awareness-Aktiven austauschen, Ideen entwickeln und an die Veranstalter*innen mit der Idee herantreten. Es kann sein, dass sich durch den Austausch bereits eine erste Gruppe gebildet hat, die auch selber Interesse hat, die Awareness-Arbeit zu entwickeln und ein Awareness-Team für den Veranstaltungsort zu gründen.
Manchmal geht die Initiative von den Veranstalter*innen oder dem Personal aus. Dann wird sich intern zusammengesetzt und überlegt, welche Möglichkeiten es gäbe, um ein Awareness-Team zu gewinnen oder zu gründen.
Oder es gibt bereits bestehende Awareness-Teams, die beispielsweise für Veranstaltungen oder andere Veranstaltungsorte Awareness anbieten und die an den Veranstaltungsort mit dem Vorschlag herantreten, auch für diesen Ort Awareness anzubieten.
Bei all diesen verschiedenen Formen der Initiative stellt sich bald die Frage der Schulung. Wie und von wem kann ein Awareness-Team gut geschult werden? Das Awareness Institut bietet hier Schulungen an.
Extern/intern, welche Form von Awareness-Team:
Es gibt verschiedene Formen von Awareness-Teams, die unterschiedliche Vor- und Nachteile haben. Wir haben diesbezüglich Präferenzen.
Internes Awareness-Team: Ein internes Awareness-Team, wird von den Veranstalter*innen selbst organisiert. Die Veranstalter*innen stellen dann beispielsweise eine oder zwei Personen ein, die die Awareness-Arbeit planen, koordinieren und umsetzen. Für die Schichten werden dann Einzelpersonen engagiert, die angestellt oder auf Honorarbasis die Awareness-Schichten machen. Für die Veranstalter*in besteht der Vorteil, dass alles in einer Hand ist. Die Veranstalter*in entwickelt und weiß, was sie will und die dafür Angestellten setzen dies nach Wunsch um. Der Nachteil ist, dass die Awareness-Personen weisungsgebunden und finanziell abhängig sind, dadurch stehen sie den internen Machtstrukturen nicht unabhängig gegenüber. Dies birgt den Nachteil, dass das Awareness-Team eventuell nicht die Mindeststandards so umsetzen kann, wie sie es für sinnvoll halten, wenn die Veranstalter*in hier andere Vorstellungen hat. Diesem Nachteil kann damit begegnet werden, dass auch das Awareness-Team mündlich übertragenes Hausrecht bekommt, welches die Security dann umsetzt. Somit ist das Awareness-Team gegenüber der Security weisungsbefugt und kann z.B. in Absprache mit der Abendleitung Veranstaltungsverweise verfügen. Deutlicher gesagt: Die Weisungsbefugnis des Awareness-Teams ist eine notwendige Verfügung über eine Ressource, die es ermöglicht schnell und betroffenensolidarisch einen sichereren Raum herstellen zu können und nicht „nur“ psychosoziale Unterstützung zu betreiben. Dies sichert die Arbeitsfähigkeit und Wirkmächtigkeit des Awareness-Teams.
Externes Awareness-Team: Ein externes Awareness-Team bildet sich oft auf Initiative der Besucher*innen oder von Awareness-Aktiven oder bereits bestehende Awareness-Teams treten an den Veranstaltungsort heran. Das externe Awareness-Team hat ein vom Veranstaltungsort unabhängiges Awareness-Konzept. Das hat den Vorteil, dass unabhängige Awareness-Konzepte meist emanzipatorischer den Stand des aktuellen Diskurses wiedergeben und Mindeststandards enthalten. Während sich Veranstalter*innen oft erst auf einen Weg begeben, um sich mit Awareness und Mindeststandards zu beschäftigen. Ein weiterer Vorteil ist, dass das externe Awareness-Team unabhängig ist und nicht in die Machtstrukturen des Veranstaltungsortes eingeflochten ist. Ein Nachteil an diesem Modell kann sein, dass der Anspruch von Awareness als tief in der Veranstaltungsstruktur verankerte Haltung nicht unbedingt umgesetzt wird, wenn die Arbeit ausschließlich von Externen übernommen wird. Schwierig wird es auch, wenn die Veranstalter*innen das Awareness-Team rein als Dienstleiter*innen betrachten, die einen Auftrag umsetzen. Dann ist eine machtkritische Reflexion mit und in der Veranstaltungsstruktur kaum möglich. In jedem Fall muss die Umsetzung des Hausrechts klar geregelt sein, damit das Awareness-Team Verweise aussprechen kann.
Die Organisationsstruktur:
Ein Awareness-Team kann verschiedene Formen der Organisationsstruktur haben. Awareness kommt aus queer-feministischen und sozialen Bewegungen und diese sind verknüpft mit der Haltung und dem politischen Anspruch von Kollektivität und Hierarchiefreiheit.
Das Kollektiv: Das Awareness-Team arbeitet als Kollektiv.- Das beinhaltet, dass alle die gleiche Entscheidungsmacht haben, die Dinge miteinander besprechen und gemeinsam beschließen. Die Grundlage für Beschlüsse ist ein Konsensverfahren mit Vetorecht, im Gegensatz zu Abstimmungen und Mehrheitsbeschlüssen. Der Vorteil von einem Kollektiv ist, dass es den Mindeststandards und den politischen Ansprüchen am meisten entspricht. Ein weiterer Vorteil ist, dass die Reflexion der Macht- und Diskriminierungsverhältnisse gleichberechtigt stattfinden kann. Es gibt keine Personen mit mehr formaler Macht, die Kritik aussitzen können oder sich dieser entziehen können. Ein Nachteil ist, dass die Aushandlungsprozesse sehr viel Zeit und Raum in Anspruch nehmen.
Awareness-Leitung und Teampersonen: Bei dieser Form gibt es eine Leitung. Die Leitung kann aus einer Person, zwei Personen oder einer Gruppe bestehen. Die Leitung hat auch oft das Awareness-Konzept entwickelt und die Umsetzung für den Veranstaltungsort überlegt und geplant. Für die konkrete Awareness-Arbeit werden Personen gewonnen, oft auf Honorarbasis, die die Awareness-Schichten abdecken und die Unterstützungsarbeit machen. Die Leitung macht entweder auch die konkrete Awareness-Arbeit mit und unterstützt auch selbst Betroffene oder die Leitung unterstützt nicht selber, ist aber bei der Veranstaltung ansprechbar für die Teams, die unterstützen. Der Nachteil bei dieser Form ist, die „Schichties“, die Personen, die die Schichten abdecken und die konkrete Awareness-Arbeit machen, haben nicht so viel zu sagen, sie setzen nur um und können nicht mitentscheiden. Der Nachteil ist, dies kann Machtverhältnisse begünstigen. Dem kann entgegenwirken, wenn das Team recht konstant ist, um Vertrauen in der Zusammenarbeit zu stärken und dem Feedback des Teams mehr Einfluss zu geben. Ein Vorteil ist, dass durch eine erfahrene und kompetente Leitung eine gute psychosoziale und organisatorische Entlastung der „Schichties“ begünstigt wird.
Mischform: Die Organisationsstruktur kann auch eine Mischform sein. Beispielsweise bei der Awareness-Leitung und den „Schichties“ kann die Awareness-Leitung auch ein Kollektiv sein. Diese Form kommt relativ oft vor. Eine Gruppe/ein Kollektiv hat ein Projekt gestartet und das Projekt wächst oder die Personen aus dem Kollektiv konnten von Anfang an nicht alle Arbeiten selber abdecken. In dem Fall engagiert das Kollektiv oft weitere Personen, um Arbeiten abzudecken. Das Kollektiv trägt dann oft die Verantwortung und macht die Planungen und organisatorischen Aufgaben. Zur Abdeckung der Awareness-Schichten werden dann oft weitere Personen gesucht, die nicht Teil des Kollektivs werden.
Bei den Mischformen kann die Mitsprache oder die Entscheidungsmacht unterschiedlich gestaltet sein, verhandelt werden und sich auch verändern.
Begleitung von Awareness-Erfahrenen:
Bei der Gründung eines Awareness-Teams ist es ratsam, diese von Awareness-Aktiven oder Erfahrenen begleiten zu lassen. Das kann bedeuten sich zu Beginn mit Awareness-Erfahrenen zusammen zu setzen, um gemeinsam zu überlegen, auf was zu achten ist und wie die Gründung angegangen werden kann. Oder verschiedene Workshops und Schulungen zu einzelnen Themen zu besuchen.
Gründung des Awareness-Teams:
Verschiedenen Entscheidungen und Planungen stehen zu Beginn der Gründung:
- Awareness-Grundsätze, nach denen gearbeitet werden soll
- Externes/internes Awareness-Team
- Organisationsform (Kollektiv, Hierarchien)
- Entscheidungsstrukturen
Als Team überlegt ihr euch:
- Treffensrhythmus, Form der Treffen (Online, persönlich)
- Kommunikationswege (Email-Listen, Messenger, Clouds)
- Aufgabenbereiche/Zuständigkeiten (Schichtplanung; Onboarding von Neuen; Kontaktpersonen zu Veranstalter*innen; Kontaktpersonen zu anderen Gewerken (Security etc.); Organisation des Awareness-Teams (Treffen einberufen, moderieren, Protokolle)
Weiterführende Überlegungen:
- regelmäßige Schulungen/Fortbildungen (zur Unterstützungsarbeit, zu Konsens, zu Diskriminierungsverhältnissen, zu Schnittstellen mit anderen Gewerken (Psy-Care, Safer-Use)); Einstiegsschulungen für neue Schichtende und Awareness-Teams.
- Self Care
- Intervision
- Supervision (extern und bezahlt)
- eigene Ansprechstruktur für das Team/Beschwerdesystem
- Netzwerkarbeit, Austausch mit anderen Awareness-Teams
Netzwerkarbeit ist wichtig. Es ist grundlegend, gerade in der Awareness-Arbeit nicht im eigenen Saft zu schmoren, sondern sich immer wieder Impulse von außen zu holen, eine positive Fehlerkultur zu schaffen, Feedback umzusetzen, offen zu sein für Ideen, neue Diskurse, Kritik und Veränderung.
Awareness Institut, Stand 21.08.2024