Was ist Awareness?

Awareness ist ein Ansatz der Achtsamkeit im Umgang miteinander und ein Bewusstsein für die eigenen und die Grenzen anderer. Der Awarenessansatz kommt nicht aus der Theorie, sondern aus der Praxis: Er wurde von Betroffenen von Diskriminierung und (sexualisierter) Gewalt und ihren Verbündeten entwickelt. Sie schufen als Expert*innen der eigenen Betroffenheit eine gemeinsame Haltung, die aus dem Wissen um Machtverhältnisse entstanden ist.

Viele kennen das: Der Abend im Club fängt gut an und wird jäh von einer unangenehmen Erfahrung beendet. Das Festival wird zur Geduldsprobe anstatt zum Highlight des Sommers.

Oft liegt das an Diskriminierungs- und Gewalterfahrungen. Das Überschreiten von Grenzen wie angetatscht werden, rassistische Sprüche, stigmatisierende Blicke, Ausgrenzung von Menschen mit Behinderung, Toiletten, die nur binäre Geschlechter vorsehen – das alles ist Diskriminierung und Gewalt. Dabei kann es nicht nur auf Veranstaltungen, sondern auch in der eigenen Organisation oder dem eigenen politischen Netzwerk zu solchen Erfahrungen kommen.

Um dem zu begegnen wurde in Deutschland 2007 aus der queer-feministischen Bewegung heraus der Awarenessansatz entwickelt.

Dieser beinhaltet zum einen das Schaffen von Unterstützungsangeboten und den Aufbau von Awareness-Crews. Im Zentrum steht das Wohl der Betroffenen. Dazu gehört, Betroffene nicht allein mit Diskriminierung und Gewalt zu lassen und parteilich zu unterstützen – sofern sie sich das wünschen. Zum anderen lädt der Awarenessansatz alle Menschen dazu ein, in Reflexionsprozesse einzusteigen. Denn Awareness lässt sich nur dann wirklich umsetzen, wenn wir alle mitwirken und versuchen, achtsamer für uns und unseren Umgang miteinander zu werden. Dazu gehört unter anderem die Beschäftigung mit struktureller und zwischenmenschlicher Gewalt, aber auch das Erlernen praktischen, solidarischen und unterstützenden Handelns. Außerdem wirkt Awareness emanzipativ auf die Veranstalter*innen, Gäste und Organisationsstrukturen.

In manchen Communities wird Awareness zusammen mit einer das Umfeld reflektierenden Arbeit und Transformativen Arbeit mit gewaltausübenden Personen im Sinne von Community Accountability angeboten.

In den letzten Jahren ist Awareness über die politischen/sozialen Bewegungen hinaus gewachsen und findet immer stärkeren Anklang in breiten gesellschaftlichen Angeboten – das ist ein großer Erfolg! Gleichzeitig führt es aber dazu, dass viele Anbieter*innen sich weder wirklich damit auskennen noch die hinter dem Ansatz stehende Haltung vollständig erfasst haben. Das hat zur Folge, dass sich Anspruch, Haltung und Praxis teilweise von ihrem emanzipatorischen Ursprung entfernen. Um das Wissen, die praktische Erfahrung und Haltung aus der Bewegung weiterzugeben, haben wir 2021 das Awareness Institut gegründet.

Awareness-Crews in der Praxis

In der Praxis beginnt Awarenessarbeit in der Regel mit Gesprächen mit den Veranstaltenden, in denen der Rahmen, die besonderen Gegebenheiten und die Haltung hinter Awareness besprochen werden. Damit die Gäste über die Awareness-Crew Bescheid wissen, wird für die entsprechende Veranstaltung oft sichtbar beworben, dass es Awareness gibt: Auf der Webseite, Flyern, Plakaten, im Programmheft oder in sozialen Medien.

Dort wird auch beschrieben, auf welches Angebot die Besucher*innen zählen und wie sie die Awareness Crew erreichen können. Häufig gibt es einen konkreten Ort (Infotisch, Beratungsraum, Zelt auf dem Festival), wo Gäste sich hinwenden können, wenn sie Unterstützung wollen oder auch einfach nur eine Frage haben. Manchmal gibt es eine Telefonnummer oder andere Stellen/Crews leiten die Anfrage weiter, wie die Bar, die Tür oder die Security.

Die Awareness-Crews stehen dann zur Unterstützung für Betroffene zur Verfügung. Meist gibt es einen Beratungsraum, in dem Gespräche stattfinden oder Betroffene zur Ruhe kommen können. Gemeinsam mit der Betroffenen klärt die Awareness-Crew, was der Betroffenen gut tun könnte und was es jetzt braucht. Das kann ein einfaches Gespräch sein oder eine Beratung. Es kann auch sein, dass die Betroffene Freund*innen oder Angehörige kontaktieren will oder sicher nach Hause kommen möchte. Manchmal geht es auch darum, mit der gewaltausübenden Person ein Gespräch zu führen oder ihr*m eine Ansage zu machen. In anderen Fällen kann dazu auch gehören, die gewaltausübende Person der Veranstaltung zu verweisen.

Die Awareness-Crew arbeitet meist im Team und eng abgestimmt mit der Security. Wichtig ist, dass die Awareness-Crew gut geschult ist, Zeit für Vor- und Nachbereitung hat und eine Supervision erhält. Zugleich ist jede Awareness-Crew nur so gut, wie die Veranstaltungsstruktur, in der sie arbeitet. Eine Reflexion der Veranstaltungs-Macher*innen und aller Crews ist für gute Awareness unerlässlich.

Strategien Handlungsempehlungen