Aktive im eigenen Team und in Zusammenarbeit miteinander bemühen könnten. Der Text ist unterteilt in drei zeitliche Phasen der Awareness-Arbeit: die Vorbereitung, die Veranstaltung selbst und die Nachbereitung.
Veranstaltungen verstehen wir als aus dem Alltag herausgehobene Ereignisse, die einmalig oder mehrmalig an einem Ort stattfinden. Dabei sind Menschen im Voraus, währenddessen und im Nachhinein involviert. Darunter sind Personen, die die Organisation übernehmen, Personal, das Aufgaben ausführt und ein Publikum, das aus eigener Motivation heraus oder auf Einladung hin zusammenkommt. Dazu kommen häufig noch geladene Künstler*innen und andere Personen, die etwas darbieten.
1. Vorbereitung / gewaltpräventive Maßnahmen
– Grundsätzliches Bewusstsein haben und fördern: es gibt keine gewaltfreien Räume, alle können Gewalt ausüben und daher wird es überall da, wo Menschen zusammentreffen, die Gefahr von Diskriminierung und Gewalt geben. There is no such thing as a safe space.
– Der Veranstaltungsort und die Veranstaltenden unterstützen das Angebot des Awareness-Teams und die Prinzipien der Awareness-Arbeit (Parteilichkeit, Vertraulichkeit, Definitionsmacht, Selbstbestimmung der Betroffenen, Intersektionalität, Selbstfürsorge / individuelle Grenzen, etc.).
– Die Veranstaltenden und der Veranstaltungsort bemühen sich um eigene Awareness im Team und Machtreflexion, z.B. in Form von regelmäßigen Fortbildungen inkl. und / oder ausgehend von der Leitung / Geschäftsführung.
– Diversität der Arbeitsstrukturen stärken: Es wird angestrebt, die vorhandene gesellschaftliche Diversität in allen Positionen im Veranstaltungsablauf abzubilden. Je mehr real existierende Diversität in einem Organisationsteam und in den Inhalten der Veranstaltung abgebildet werden, desto mehr Menschen fühlen sich angesprochen. Dabei ist wichtig anzustreben, dass genderbezogene und rassistische Stereotype nicht reproduziert oder bedient werden.
– Awareness-Arbeit hat verschiedene Säulen. Prävention und Öffentlichkeitsarbeit sind neben der Unterstützung von Betroffenen von Diskriminierung und Gewalt wichtige Themen. Dazu gehört, dass im Voraus einer Veranstaltung zentrale Aspekte des Awareness-Konzepts öffentlich kommuniziert werden. Außerdem soll vor Ort allen intern Beteiligten und dem Publikum klar werden, was Awareness ist, wie das Angebot funktioniert und wie man es in Anspruch nehmen kann.
– Diversität des Awareness-Teams: Das Awareness-Team strebt eine kompetente Unterstützung möglichst aller Diskriminierungsbetroffenheiten von Personen unterschiedlicher gesellschaftlicher Positionierungen an. Betroffenen fällt es häufig leichter sich Unterstützenden anzuvertrauen, in denen sie gemeinsame Erfahrungswelten vermuten. Es ist im Sinne der Selbstbestimmung wichtig, dass Betroffene sich aussuchen können, wer sie unterstützt. Ein diverses Awareness-Team ist aber häufig nicht die Realität, darum ist Sensibilität für alle möglichen Formen von Betroffenheiten im Awareness-Team notwendig.
– Die Gewaltdefinition fußt auf dem Konsensprinzip. Nicht nur „nein heißt nein“, sondern nur „ja heißt ja“. Das Konsensprinzip ist Teil der “Hausregeln” der Veranstaltung. Es wird intern im Team und an das Publikum vermittelt.
– An Veranstaltungsorten gibt es Faktoren, die im Kontext einer Veranstaltung zu diskriminierenden Ausschlüssen führen können (z.B. räumliche Zugangssituation in Bezug auf Barrieren, binär gegenderte Toiletten, rassistische Türpolitik, Ausschluss aufgrund hoher Ticketpreise, Mangel an Rückzugsräumen, schlecht ausgeleuchtete Bereiche bei Outdoor-Gelände). Idealerweise wird mit Organisierenden darüber gesprochen, beispielsweise durch eine vergütete Beratung im Voraus der Veranstaltung. Das kann auch Begehungen des Veranstaltungsortes beinhalten, um beispielsweise die Beleuchtung zu checken. Physische Zugangsbarrieren, die nicht abgebaut werden können, sollten in der Ankündigung und Werbung für die Veranstaltung transparent gemacht werden.
– Wenn Personen oder Teams noch keine Erfahrung in der Awareness-Arbeit und/oder in der Zusammenarbeit mit Awareness-Teams haben, sollten vorher Schulungen zum Thema besucht werden. Sie sollten wissen, wie konkrete Unterstützungsarbeit aussehen kann, um entweder kompetent unterstützen zu können und / oder kompetent auf das Angebot der Awareness verweisen zu können. Das Awareness Institut bietet hierzu Schulungen an.
– Es sollte ein gemeinsames Sicherheitskonzept für die Veranstaltung geben. Das bedeutet, dass die Sicherheitsgewerke (Security, Awareness, Sanitäter*innen, Psy Care, o.Ä.) mit der Veranstaltungsleitung zeitgerecht Entscheidungskompetenzen, Handlungsabläufe, Reaktions- und Kommunikationsketten zwischen den beteiligten Gewerken am Veranstaltungsort klären. Besonders die Schnittstellen zwischen den jeweiligen Gewerken sollten Verfahren für den Ernstfall besprechen, um eine gute Zusammenarbeit zu gewährleisten. Es muss im Voraus geklärt werden, wer welche Weisungsbefugnis hat: Wer verfügt über das Hausrecht? Wer setzt es um? Wer interveniert bei Regelverstößen?
– Zu einem gemeinsamen Sicherheitskonzept gehört auch, dass die Kommunikationsweisen im Detail geklärt werden, beispielsweise dass über Funk nur knappe logistische Absprachen getroffen werden sollten. Dieser Kanal darf nicht für Fallbesprechungen verwendet werden, da diese dem Prinzip der Vertraulichkeit unterliegen.
– Die Sicherheit für das Awareness-Team muss gewährleistet werden. Es sollten vorhergehende Absprachen mit dem Veranstaltungsort und der Security getroffen werden, damit es Strategien für Fälle von Konfliktsituationen und potenziellen Übergriffen gegenüber dem Awareness-Team gibt. Im Zweifelsfall gilt für das Awareness-Team Eigenschutz vor Fremdschutz.
2. Umsetzung von Awareness auf einer Veranstaltung
– Gemäß der Definitionsmacht sollte das Awareness-Team Verweise von der Veranstaltung empfehlen dürfen, die in der Folge dann durch Inanspruchnahme des Hausrechts von der Security oder den Veranstaltenden ausgesprochen und umgesetzt werden. Lösungsorientierte Kommunikation zwischen allen relevanten Gewerken ist anzustreben, um die Definitionsmacht der Betroffenen zu gewährleisten, benötigt die Awareness eine Weisungsbefugnis.
– Bei der Awareness-Arbeit vor Ort steht die Unterstützung von Betroffenen im Vordergrund. Politische Diskurse und Differenzen über die Awareness-Ausgestaltung können in der konkreten Arbeit nicht ausgetragen werden, sondern sind Teil einer Debatte, die eines anderen Ortes, zum Beispiel in der Vor- oder Nachbereitung, bedarf.
– Das Awareness-Angebot sollte auf der Veranstaltung sichtbar sein und vom gesamten Veranstaltungsbetrieb mit vermittelt und gefördert werden. Im Idealfall handelt es sich um ein selbst entwickeltes Konzept, das passgenau zur Veranstaltung und dem Ort passt. Das Awareness-Angebot sollte sowohl nach außen für das Publikum, als auch nach innen für alle an der Veranstaltung Beteiligten auffindbar, leicht zugänglich und niedrigschwellig sein. Unterstützend kann ein gemeinsames Design / Layout (Plakate, Flyer, Wegweiser, etc.) von der Veranstaltung, bzw. des Veranstaltungsorts, und dem Awareness-Angebot wirken.
– Awareness-Arbeit sollte angemessen bezahlt werden. Außerdem sollten die Awareness-Personen während ihres Einsatzes gut mit Essen und Getränken versorgt werden. Awareness-Personen sollten immer nüchtern arbeiten, um gute Unterstützungsarbeit gewährleisten zu können.
– Awareness-Arbeit kann unter Umständen eine stark emotional belastende Arbeit sein. Darum dürfen und sollen Personen des Awareness-Teams auf ihre eigenen Grenzen achten und Pausen machen. Dazu gehört auch, den Arbeitsschutz zu wahren, also genug Zeit zwischen den Schichten (11 Stunden ununterbrochene Ruhezeit), nicht zu lange Schichten zu planen und nur Personen über 18 arbeiten zu lassen. Auch die Unterbrechung einer Schicht oder das Abgeben von Fällen an andere Teammitglieder ist sinnvoll und unterstützenswert, z.B. wenn eine Person überfordert oder nicht aufmerksam genug ist. Es sollte immer in Teamkonstellationen und nie alleine gearbeitet werden, damit gemeinsame Koordinierung und Absprachen über das Vorgehen und auch Pausen gut möglich sind.
– Wichtig ist auch ein fürsorglicher Umgang innerhalb des Awareness-Teams. Dazu gehört, eigene Grenzen achten und im Team transparent zu machen, Bedürfnisse formulieren und sich Unterstützung holen, falls die Arbeit mit einer betroffenen Person aus unterschiedlichen Gründen (z.B. persönliche Involviertheit oder Betroffenheit) nicht möglich ist, dann übernimmt eine andere Person aus dem Awareness-Team.
– Auf ständige Erreichbarkeit sowohl innerhalb des aktiv arbeitenden Teams (z.B. zwischen mobilen Teams und Basis-Standort) als auch der Ansprechpersonen der Veranstaltung ist zu achten.
– Niedrigschwelligkeit (sprachliche Erreichbarkeit und Vermittlung z.B. mehrsprachige Flyer/Ankündigung, mehrere Möglichkeiten, um das Awareness-Team kontaktieren zu können, gute Sichtbarkeit des Awareness-Teams vor Ort…) und Erreichbarkeit (z.B.Telefonnummer, fixer Standort, mobile Teams, die erkennbar sind…) müssen gegeben sein.
– Ein Rückzugsort / geschützter Raum soll geschaffen werden (ruhig, gedämpftes Licht, gemütlich…) sowie unterschiedliche Materialien zur Versorgung zur Verfügung gestellt werden (z.B. Wasser, Traubenzucker, Magnesium, Gehörschutz).
Empfehlenswert ist eine Auslegung von Infomaterialien zum Thema Awareness und Konsens sowie Flyer von Beratungsstellen, Krisenanlaufstellen, Gewaltschutzambulanzen, etc.
– Vertraulichkeit und Anonymität sollte vermittelt und verbindlich eingehalten werden, nach Möglichkeit kann auch eine anonyme Ansprechmöglichkeit angeboten werden (Telefon, Mail). Diese wird auch in der übersichtlichen und zweckgebundenen Dokumentation der Vorkommnisse gewahrt, eine Intervision im Awareness-Team bietet Raum für Fallbesprechungen mit den anderen Teammitgliedern.
3. Nachbereitung / Bearbeitung von Fällen
– Es sollte ein Nachbereitungstreffen im Awareness-Team und mit Veranstaltenden geben, um den Einsatz auf der Veranstaltung zu besprechen und ggf. Learnings oder Vereinbarungen für den nächsten Einsatz festzuhalten. Dafür kann ggf. eine anonymisierte Dokumentation weitergegeben werden. Zusätzlich sind fallbezogene Nachtreffen mit Veranstaltenden und ggf. mit anderen Gewerken (z.B. Security) möglich. Hier ist besonders auf den Schutz der Betroffenen zu achten, damit kein Gerede entsteht.
– Eine Supervision für Awareness-Teams bietet Raum für Besprechungen über Teamdynamiken und Fälle nach der Veranstaltung. Zudem sollte eine Reflexion von Macht- und Diskriminierungsverhältnissen innerhalb des Awareness-Teams erfolgen. Auch weitere benötigte Fortbildungen für die Awareness-Teams können dort besprochen werden.
– Veranstaltende sollten eine Möglichkeit der Ansprechbarkeit nach der Veranstaltung gewährleisten. Dafür sind Flyer von Beratungsstellen, Krisenanlaufstellen oder Gewaltschutzambulanzen denkbar. Wenn größere Vorfälle passiert sind und eine Kommunikation nach außen nötig ist, können Awareness-Aktive (Awareness-Gruppen) gegen Vergütung beratend zur Seite stehen.
Awareness Institut, Stand 21.08.2024