Täter auf der Bühne – oder: Awareness und Rammstein

Täter auf der Bühne – oder: Awareness und Rammstein – Über Großveranstaltungen und antisexistische Sicherheitskonzepte. Seit die Übergriffsvorwürfe gegen den Sänger der Band Rammstein publik geworden sind, ist auch Awareness und damit verbundene Konzepte ein Thema, das in vielen medialen Berichten aufkommt. Zuletzt hat auch die Band selbst angekündigt, ein “Awarenesskonzept” bei ihrem nächsten Auftritt umzusetzen. Das ist aus unserer Sicht in der aktuellen Situation ein grundsätzlich falscher Zugang zu Awarenessarbeit und ist als Awarenesswashing zu verstehen. Warum führen wir hier im Text aus!

Erstveröffentlicht am 07.06.2023 via: https://awa-stern.info/tater-auf-der-buhne-oder-awareness-und-rammstein/

Täter auf der Bühne – oder: Awareness und RammsteinÜber Großveranstaltungen und antisexistische Sicherheitskonzepte.

Seit die Übergriffsvorwürfe gegen den Sänger der Band Rammstein publik geworden sind, ist auch Awareness und damit verbundene Konzepte ein Thema, das in vielen medialen Berichten aufkommt. Zuletzt hat auch die Band selbst angekündigt, ein “Awarenesskonzept” bei ihrem nächsten Auftritt umzusetzen. Das ist aus unserer Sicht in der aktuellen Situation ein grundsätzlich falscher Zugang zu Awarenessarbeit und ist als Awarenesswashing zu verstehen. Warum führen wir hier im Text aus!

Awareness ist ein Konzept, das klaren Richtlinien und Werten folgt.

Zu diesen Richtlinien gehören die Prinzipien von Definitionsmacht und Parteilichkeit, sowie dass sich Betroffene (Personen die von Gewalt und Diskriminierung betroffen sind) vertraulich an die jeweilige Struktur wenden können.

Das bedeutet, die Realität der Betroffenen und ihre Erfahrungen anzuerkennen.

Es bedeutet, sich auf die Seite dieser Menschen zu stellen.

Und gemeinsam zu überlegen, wie gemeinsam mit diesen Personen Handlungsfähigkeit (wieder) hergestellt und Unterstützung gegeben werden kann.

Prinzipiell ist es eine gute und notwendige Sache für Veranstaltungen, egal welcher Größe, Konzepte zu haben, die regeln, was passiert, wenn es Übergriffe gibt.

Awarenessarbeit bietet dabei einen Rahmen, der klar absteckt, was vor allem Betroffene an Unterstützung erwarten können und dass ihre Anliegen wahrgenommen und ernst genommen werden. Diese Konzepte können in der Praxis dann unterschiedlich umgesetzt werden (was die Verankerung vor Ort etc. betrifft), aber Merkmale wie, dass es bei großen Veranstaltungen ein klar erkennbares, gut und direkt erreichbares, direkt ansprechbares, gut geschultes Team vor Ort gibt gehören dazu. Dieses Team hat auch das Hausrecht und kann im Zweifelsfall zum Schutz der betroffenen Personen die Verursachenden der Veranstaltung verweisen und handelt nach den zu Awarenessarbeit dazugehörigen und oben benannten Prinzipien.

Was passiert also im Fall von Rammstein, wenn der Verursacher, also der Täter, auf der Bühne steht? Das Awareness Team müsste als Erstes den Sänger vom Konzert verweisen. Wenn sie das nicht täten, würden sie gegen die Prinzipien verstoßen, vor allem nach dem, was von den Betroffenen öffentlich gemacht wurde. Dazu gehört auch, dass geäußert wurde, ist, dass es eine Klärung der Fälle und deine Verantwortungsübernahme durch die Band (oder andere Strukturen wie Label, Management, etc.) braucht.

In einem solchen Kontext und einer solchen Situation kann ein Konzert nicht sicher gemacht werden, auch nicht durch eine Awareness-Struktur. Denn das Problem und der Verursacher sind weiterhin zentral präsent. Es hat den Anschein, dass die Band durch diese Maßnahmen von dem Geschehen ablenken, ja die Berichte über das, was passiert ist, sogar relativieren will. Durch ein Awarenesskonzept soll so suggeriert werden, dass es eine Sensibilität für das Thema gibt. Aus Sicht unserer Arbeit würde das aber bedeuten konsequent zu handeln, die Vorwürfe zu klären und bis dahin die Zusammenarbeit mit dem Sänger zu beenden. Es würde bedeuten, die Vorwürfe ernst zu nehmen, statt wie in diesem Fall Awarenesswashing zu betreiben.

Awarenesswashing ist nicht erst seit Rammstein ein Thema. Wenn, wie im Fall der “Bucht der Träumer” (https://awa-stern.info/solidaritatsbekundung-und-kritik-an-den-festivalorganisatorinnen-der-bucht-der-traumer/), zentral verantwortliche Personen die Verursacher, also die Täter, schützen und dann die Betroffenen die Struktur verlassen müssen, oder sich auch an den Orten der Veranstaltung in Folge nicht mehr sicher fühlen würden, dann widerspricht das allen Grundlagen von Awareness.

Die Regeln und Prinzipien gelten für alle. Wenn das nicht der Fall ist, dann ist es nicht Awareness. Veranstalter_innen, Musiker_innen, Club und Locationbesitzer (ein Wort, das aufgrund der großen Männerdominanz in diesem Bereich selten geschlechterdivers geschrieben werden muss), Organisator_innen, Moderation, Securitypersonen, Techniker_innen und andere, die innerhalb einer solchen Struktur Verantwortung und Repräsentationsrollen innehaben, oder Teile von Arbeit übernehmen sind von den Vereinbarungen, die im Rahmen von Awarenesskonzepten getroffen werden, nicht ausgenommen.

Denn entweder gilt es für alle und alle können sich darauf verlassen, oder es gilt nicht. Und gerade wenn Vorwürfe und Übergriffe von Personen kommen, die Macht haben, dann braucht es eben noch mehr diese Sicherheit.

Das beinhaltet auch die Sicherheit, dass Betroffene anonym bleiben. Mehr noch, dass, nur wenn sie es explizit wollen ihre Geschichte öffentlich gemacht wird und das nur auf ihren expliziten Wunsch hin und nach gemeinsamer Beratung über Strategie und Sicherstellen einer Supportstruktur für Betroffen und ihr Umfeld.

Wenn es dann schon ein Vorwurf oder Vorwürfe im Raum gibt (egal ob anonym oder nicht, egal ob öffentlich oder direkt an Verantwortliche kommuniziert), dann müssen diese erst einmal aufgearbeitet werden. Weiterzumachen und dann Pseudo-Awareness darüber zu streuen und zu sagen, “wir sind eh nicht mehr übergriffig und machen jetzt ein anderes Konzept”, reicht dann nicht aus, sondern delegitimiert auch die Betroffenen. Dabei ist auch nicht das “künstlerische Konzept” oder ein sonst wie höherer Zweck Grund, sich über die Wünsche und Forderungen von Betroffen zu stellen. Von dem Kunstwerk und den Personen die dahinterstehen, kann im Moment eines Auftrittes nicht getrennt werden. Denn dabei passiert auf der Bühne die Situation, dass sich der Täter zeigen kann, während eben Betroffene das nicht gleichermaßen können.

Statt Awareness braucht es in diesem Fall, dass die Band alle weiteren Auftritte absagt und erst einmal ihre internen Verhältnisse, Werte und dergleichen klärt und sich überlegt, ob sie mit der verursachenden Person weiter zusammenarbeiten will. Es ist aber auch schwer vorstellbar, dass bei diesen Vorgängen die anderen Bandmitglieder und andere mit der Struktur vertraute Personen jahrelang nichts von den Vorfällen mitbekommen haben. Auch das mediale Vorgehen der Band scheint dies zu bestätigen, denn statt klarer Ansagen wird die Verantwortung auf andere geschoben. Dabei wird von der Band Betroffenen geraten nichts zu veröffentlichen, Anwälte agieren gegen Berichterstattung und die von der Band beauftragte Krisenagentur für PR rät ihnen wahrscheinlich da jetzt was mit “Awareness” zu machen. Dafür lassen wir uns nicht instrumentalisieren.

Wenn die Band es also nicht selbst tut und den Täter schütz oder vielleicht auch durch ihr Handeln mit zu Gesehenen beigetragen hat, dann ist es an allen anderen, gemeinsam dafür zu sorgen, dass Täter keine Bühne bekommen. Das ist dann jedenfalls richtige und angewandte Awareness-Arbeit.

Mehr zu den Grundsätzen und Hintergründen unserer Arbeit finden sich hier:

Täter auf der Bühne – oder: Awareness und Rammstein – Über Großveranstaltungen und antisexistische Sicherheitskonzepte. Seit die Übergriffsvorwürfe gegen den Sänger der Band Rammstein publik geworden sind, ist auch Awareness und damit verbundene Konzepte ein Thema, das in vielen medialen Berichten aufkommt. Zuletzt hat auch die Band selbst angekündigt, ein “Awarenesskonzept” bei ihrem nächsten Auftritt umzusetzen. Das ist aus unserer Sicht in der aktuellen Situation ein grundsätzlich falscher Zugang zu Awarenessarbeit und ist als Awarenesswashing zu verstehen. Warum führen wir hier im Text aus!