Tools der Awareness-Arbeit

Community Accountability

ist ein Ansatz aus den USA, um mit sexualisierter und häuslicher Gewalt umzugehen. Er wurde von Schwarzen, Indigenen Frauen, Lesben und Trans-Personen of Colour entwickelt, weil sie kaum Möglichkeiten hatten, sich Unterstützung zu holen, ohne dass ihre Community von rassistischer Polizeigewalt getroffen wurde. Deshalb war es notwendig, Alternativen zum rassistischen Polizei- und Gefängnissystem zu entwickeln, um als Community gemeinschaftlich Verantwortung für den Umgang mit Gewalt zu übernehmen. Er umfasst vier Teilbereiche: Unterstützung der Betroffenen, Aufklärung des Umfeldes, transformative Arbeit mit der gewaltausübenden Person und politische Arbeit für eine gesellschaftliche Veränderung.

Empowerment

Empowerment “ist ein dekoloniales, community-orientiertes Konzept zur Selbststärkung, Heilung und (Wieder-)Aneignung von Handlungsspielräumen von Menschen mit Diskriminierungserfahrung“ [Natascha Anahita Nassir-Shahnian: Powersharing: es gibt nichts Gutes, außer wir tun es!]. Wenn sich Personen mit ähnlichen Marginalisierungserfahrungen zusammenschließen und ihre Erfahrungen teilen, werden gesellschaftliche Machtstrukturen sichtbar. So können diese erkannt werden und es entwickelt sich ein Bewusstsein für strukturelle Gewaltverhältnisse. Dadurch werden auch Handlungsspielräume sichtbar, um sich gegen die Herrschaftsverhältnisse zur Wehr zu setzen. Die gegenseite Stärkung ist wichtig, um mit den Alltagserfahrungen von Diskriminierung umgehen zu können und sich kleine sicherere Freiräume zu erkämpfen.

Reflexion

Reflexion ist mit Awareness verbunden und findet auf zwei Ebenen statt: Selbstreflexion und Reflexion im Kollektiv/der Gruppe. Wir alle sind nicht einfach “aware”, sondern müssen dies immer wieder aktiv herstellen und uns selbst und uns miteinander verändern. Das bedeutet, sich die eigene gesellschaftliche Positionierung bewusst zu machen, offen für Kritik zu sein, anderen zuzuhören, Lernen zuzulassen und Aushandlungen zu treffen

Content-Note

Content-Note bezeichnet das Benennen von Inhalten und Atmosphären in Texten, Diskussionen, Filmen, Social Media etc., damit Personen sich entscheiden können, mit welchem Thema sie sich auseinandersetzen möchten. Es geht auch darum, mögliche Trigger zu vermeiden. Trigger bezeichnen Auslöser, die zu Assoziationen mit traumatischen Ereignissen führen. Dabei kann es sich um alles mögliche, wie Berührungen, Worte, Farben, Gerüche, Emotionen oder bestimmte Erlebnisse handeln. Deshalb ist es kaum möglich, individuelle Trigger vorherzusehen. Ein bestimmtes Thema, wie z.B. sexualisierte Gewalt, ist zwar nicht unbedingt per se ein Trigger, kann aber belastend sein und sollte deswegen gekennzeichnet werden. Deshalb schlagen wir den Begriff Content Note vor, damit Personen selbstbestimmt entscheiden können, womit sie sich gerade auseinandersetzen möchten und womit nicht.

Machtanalyse

Machtanalyse ist ein wesentlicher Bestandteil des Awareness-Ansatzes. Denn es geht um ein parteiliches Handeln und das ist ein Ansatz, der eine Machtanalyse beinhaltet. Parteilichkeit heißt, sich auf die Seite derjenigen zu stellen, die innerhalb der Dominanzgesellschaft marginalisiert werden. Um diese Marginalisierung als nicht-Betroffene überhaupt sehen und verstehen zu können, ist eine Auseinandersetzung mit den gesellschaftlichen Verhältnissen notwendig. Es geht z.B. nicht einfach darum, die Person zu unterstützen, die als erstes kommt, sondern Marginalisierungen und Betroffenheiten intersektional mitzudenken. Wer sich jedoch mit Diskriminierungsverhältnissen, Intersektionalität und Mehrfachbetroffenheiten kaum auseinandergesetzt hat, kann auch viel falsch machen und Betroffene zusätzlich verletzen.

Self-Care

Self-Care ist eine Strategie, die Schwarze Feminist*innen entwickelt haben, um aufzuzeigen, dass ihre Gesundheitseinschränkungen bereits eine Folge von Diskriminierung sind. Deshalb, so Audre Lorde, ist „für mich selbst zu sorgen [.] kein persönlicher Luxus. Es ist Selbsterhalt und damit ein Akt politischer Kriegsführung“ [Audre Lorde 1988, A Burst of Light]. Sie schafften damit ein Bewusstsein dafür, wie wichtig Selbstfürsorge ist, um nachhaltig politisch aktiv sein zu können. In Bezug auf Awareness betrachten wir Self-Care als besonders wichtig. Awareness-Arbeit ist oft sehr belastend und beinhaltet meist die Auseinandersetzung mit gewaltvollen und frustrierenden Situationen. Manche Themen von Betroffenen können einen auch selbst triggern. Auf sich selbst zu achten und sich aus Situationen auch rauszuziehen ist deshalb besonders wichtig. Dies beinhaltet eine gegenseitige Stärkung und Unterstützung im Team sowie eine gute Vor- und Nachbereitung und externe Supervision.

Definitionsmacht

Definitionsmacht beschreibt den Ansatz, dass Betroffene sich selbst die Macht nehmen, bzw. aneignen, um die Gewalt die sie erlebt haben, zu definieren. Zur Definitionsmacht gehört, individuelle Grenzen ernst zu nehmen.

Das bedeutet, den Fokus darauf zu richten, dass jegliche Gewalterfahrung individuell erlebt wird, weil nicht jede Person das gleiche Verständnis von Gewalt hat: Was ich als Gewalt erlebe, kann für Dich anders gefühlt werden. Da wir unterschiedliche Lebenserfahrungen haben, in unterschiedlichen Kontexten aufgewachsen sind und verschiedene Kategorien für uns nutzen (und für uns genutzt werden), sind Verletzungen sehr subjektiv.

Prävention

Prävention ist ein wichtiger Teilbereich des Awareness-Ansatzes. Denn es geht neben der Unterstützung von Betroffenen auch darum, ein breites gesellschaftliches Bewusstsein dafür zu erzeugen, wie sehr diskriminierendes Denken und Handeln in uns verankert ist. Durch Sensibilisierung wird die Problematik struktureller und individueller Gewalt sichtbar und bleibt nicht nur das Problem von einzelnen. Denn das Bewusstsein dafür ermöglicht erst die kritische Selbstreflexion und damit eine aktive Verantwortungsübernahme für Grenzüberschreitungen und Übergriffe.

Transformative Justice

Transformative Justice beschreibt einen Lernprozess, durch den Erfahrungen und Wissen erweitert und neue Perspektiven eingenommen werden. Individuelle Sozialisationserfahrungen werden analysiert und im Kontext von strukturellen Gewaltverhältnissen betrachtet. Dadurch soll Verantwortung für die eigenen Handlungen übernommen werden. Im Gegensatz zu einer institutionellen Strafe sollen Gewalthandlungen beendet und die Bedingungen, unter denen Gewalt auftreten kann, gemeinsam mit der gewaltausübenden Person und der Community aufgearbeitet und geändert werden.