Betroffene unterstützen

Die amerikanische Autorin Rebecca Solnit beschreibt in ihrem Essay „Das Kassandra-Syndrom“* den „Mythos von Kassandra, der Frau, der man keinen Glauben schenkte, obwohl sie die Wahrheit verkündete“ (Solnit, R. (2017) Wenn Männer mir die Welt erklären. Hamburg: Hoffmann und Campe, S. 143). Aus der Vergangenheit sind viele Beispiele von Frauen bekannt, deren Wahrnehmung als verrückt bzw. hysterisch** abgetan wurde. Solnit schreibt weiter: „Unterwegs auf der rauen See des Geschlechterkriegs muss ich immer wieder an Kassandra denken, denn Glaubwürdigkeit ist in diesem Krieg von grundlegender Bedeutung, und sie wird Frauen so oft kategorisch abgesprochen. Wenn eine Frau etwas sagt, womit sie eine Institution oder einen Mann angreift, besonders einen mächtigen oder dem Mainstream zugehörigen, und wenn es dabei gar noch um Sex geht, besteht die Reaktion oft darin, nicht nur den Inhalt ihrer Behauptung anzuzweifeln, sondern ihre grundsätzliche Fähigkeit, ja ihr Recht, sich überhaupt zu äußern“ (Solnit, 2017, S.143-144)

a-team freiburg

Die amerikanische Autorin Rebecca Solnit beschreibt in ihrem Essay „Das Kassandra-Syndrom“* den „Mythos von Kassandra, der Frau, der man keinen Glauben schenkte, obwohl sie die Wahrheit verkündete“ (Solnit, R. (2017) Wenn Männer mir die Welt erklären. Hamburg: Hoffmann und Campe, S. 143). Aus der Vergangenheit sind viele Beispiele von Frauen bekannt, deren Wahrnehmung als verrückt bzw. hysterisch** abgetan wurde. Solnit schreibt weiter: „Unterwegs auf der rauen See des Geschlechterkriegs muss ich immer wieder an Kassandra denken, denn Glaubwürdigkeit ist in diesem Krieg von grundlegender Bedeutung, und sie wird Frauen so oft kategorisch abgesprochen. Wenn eine Frau etwas sagt, womit sie eine Institution oder einen Mann angreift, besonders einen mächtigen oder dem Mainstream zugehörigen, und wenn es dabei gar noch um Sex geht, besteht die Reaktion oft darin, nicht nur den Inhalt ihrer Behauptung anzuzweifeln, sondern ihre grundsätzliche Fähigkeit, ja ihr Recht, sich überhaupt zu äußern“ (Solnit, 2017, S.143-144)

Mit einem Rückblick in die Geschichte der Unterdrückung von Frauen stellt Solnit fest: „Es war, als wäre ein praktisches Alibi für jegliche grenzüberschreitende Autorität geschaffen worden, für alle Männer, die Verbrechen an Frauen begehen: Sie wollte es. Sie hat es sich nur eingebildet. Sie weiß nicht, was sie sagt. Diese Denkmuster existieren nach wie vor. „ ̈Die spinnt ̈ ist der gängige Euphemismus „für ̈Mir ist unbehaglich ̈“ (Solnit, 2017, S.148)

Dieses Unbehagen erleben wir häufig in unserer Awareness-Arbeit, wenn es darum geht, dass den Betroffenen uneingeschränkt geglaubt werden soll und nach ihren Maßstäben gehandelt wird. Für einen besseren Umgang mit diesem Dilemma stützen wir uns auf die 3 Grundpfeiler „Definitionsmacht“, „Parteilichkeit“ und „Selbstermächtigung“.

1. Definitionsmacht

Wie in Kapitel zwei bereits beschrieben begreifen wir Diskriminierung als das, was sie den Betroffenen antut, das bedeutet, das subjektiv Erlebte ist „die Wahrheit“.

Wir wollen die Definitionsmacht nicht nur auf Sexismus eingrenzen, sondern für alle Diskriminierungen geltend machen.
Es geht uns bei Definitionsmacht um einen Perspektivwechsel, man könnte auch sagen eine Machtumkehr. Denn, im bürgerlichen Strafsystem bestimmt ein*e Richter*in, ob etwas schlimm und „wie schlimm“ es ist und was die „gerechte Strafe“ dafür sein sollte.

Da wir Diskriminierung aus Sicht der Betroffenen betrachten, kann nur die betroffene Person selbst definieren, was überhaupt passiert ist, denn nur sie hat die Verletzung erlebt. Es geht uns also nicht darum, das Erlebte zu bewerten und wir müssen auch nicht die Perspektive der Täter-Person kennen, um der betroffenen Person glauben zu können.

Bei Definitionsmacht handelt es sich um ein auf Erfahrungswissen basierendes Konzept, das notwendig war und weiterhin ist. Es ist somit kein theoretischer Ansatz, sondern dient uns als praktisches Werkzeug.

2. Parteilichkeit

Parteilichkeit bedeutet, sich an die Seite derer zu stellen, die von Herrschaftsverhältnissen ausgebeutet und unterdrückt werden. Anders als das Konzept der Definitions- macht beschreibt Parteilichkeit unsere „Haltung“, durch die wir uns mit der betroffenen Person solidarisieren. Wir schenken ihr uneingeschränkt Glauben, sie braucht sich nicht zu beweisen oder zu erklären. Was und wie viel eine betroffene Person mitteilen will und wie sie damit umgeht, liegt bei ihr.

Mit dieser Haltung wollen wir der betroffenen Person vermitteln: „Du bist richtig und deine Perspektive ist wahr“. Wie der Essay von Solint zeigt, ist es wichtig, das Kassandra-Syndrom zu durchbrechen, indem wir den Betroffenen wirklich zuhören und uns auf ihre Seite stellen. „Die eigene Geschichte zu erzählen, zu erleben, dass sie anerkannt und man selbst als Erzählende/r respektiert wird, ist nach wie vor eine der besten Methoden, ein Trauma zu bewältigen“ (Solnit, 2017, S.147) – so kämpfen wir aktiv gegen Herrschaftsstrukturen an.

Wir erleben in unserer Arbeit, dass die Betroffenen oft das Kassandra-Syndrom schon so verinnerlicht haben, dass sie an ihrer eigenen Wahrnehmung zweifeln und Schwierigkeiten haben, für sich selbst Partei zu ergreifen. Immer wieder kommen Frauen zu unserem Awareness-Stand, die sich routinemäßig fragen: „Ich weiß nicht, ob ich bei euch richtig bin, vielleicht stelle ich mich auch einfach an und es war gar nicht so schlimm…“. Indem wir für die Betroffene Partei ergreifen, wollen wir sie dazu ermächtigen, ihrer eigenen Wahrnehmung zu glauben.

3. Selbstermächtigung

Durch eine Gewalterfahrung erlebt die betroffene Person einen Kontrollverlust. Um diesem entgegenzuwirken, versuchen wir, die betroffene Person zu empowern.
Das heißt, es geht darum, die Bedürfnisse der betroffenen Person zu achten und sie darin zu unterstützen, nach ihren Bedürfnissen zu handeln. Wir gehen davon aus, dass jede Person selbst am besten weiß, was ihr gut tut – sie ist also Expert*in für sich selbst. Und doch kennen wir alle das Gefühl überfordert zu sein und nicht immer zu wissen, was wir gerade brauchen. Besonders nach einer Gewalterfahrung ist es oft schwierig, sich selbst und die eigenen Bedürfnisse zu spüren. Deshalb versuchen wir in der Unterstützung von Betroffenen besonders aufmerksam zu sein und einen sicheren Raum zu schaffen, in dem Bedürfnisse gespürt und ausgedrückt werden können. Mit unserer parteilichen Haltung und indem wir Betroffenen die Definitionsmacht geben, wollen wir sie darin bestärken, sich selbst zu ermächtigen und über das weitere Vorgehen eigenmächtig zu entscheiden.

Wir fragen nach, was die betroffene Person gerade braucht und zeigen eventuell Handlungsoptionen auf.

Die amerikanische Autorin Rebecca Solnit beschreibt in ihrem Essay „Das Kassandra-Syndrom“* den „Mythos von Kassandra, der Frau, der man keinen Glauben schenkte, obwohl sie die Wahrheit verkündete“ (Solnit, R. (2017) Wenn Männer mir die Welt erklären. Hamburg: Hoffmann und Campe, S. 143). Aus der Vergangenheit sind viele Beispiele von Frauen bekannt, deren Wahrnehmung als verrückt bzw. hysterisch** abgetan wurde. Solnit schreibt weiter: „Unterwegs auf der rauen See des Geschlechterkriegs muss ich immer wieder an Kassandra denken, denn Glaubwürdigkeit ist in diesem Krieg von grundlegender Bedeutung, und sie wird Frauen so oft kategorisch abgesprochen. Wenn eine Frau etwas sagt, womit sie eine Institution oder einen Mann angreift, besonders einen mächtigen oder dem Mainstream zugehörigen, und wenn es dabei gar noch um Sex geht, besteht die Reaktion oft darin, nicht nur den Inhalt ihrer Behauptung anzuzweifeln, sondern ihre grundsätzliche Fähigkeit, ja ihr Recht, sich überhaupt zu äußern“ (Solnit, 2017, S.143-144)